1. Tatort Rampe:
Der erste Verdacht

Der Auftrag:

„Schaut euch mal die Zahlen an.“

Die Szene:
Ein Online-Händler für Elektronik und weiße Ware, Lagerhallen, Laderampen, Lieferketten-Routine.

Auf den Bilanzen sah alles solide aus: Umsatz, Absatz, Marken. Doch im Hinterzimmer der Reports lag ein stilles Alibi: Zahlen, die nur vorgaben, die Wahrheit zu erzählen.

Wenn Unternehmen kollabieren, ist die Rampe oft der erste Tatort: hier laufen Lieferungen ein und aus, hier schlägt Logistik Kosten auf, hier beginnt die Spur. Und genau hier fehlte etwas Entscheidendes: die korrekte Zuordnung der Lieferkosten.

2. Das Alibi:
Zwei Euro Marge

Die zentrale Spur: Waschmaschinen wurden mit zwei Euro Marge verkauft. Ein Alibi, das trügte. Auf dem Papier ein knappes Plus, in Wahrheit eine verdeckte Verlustzone. Das „Alibi“ war eine fehlerhafte Kalkulation: Bestands- und Transportkosten wurden nicht verankert, Zuschlagsätze nicht aktualisiert.

Je länger man sucht, desto deutlicher wird das Muster: Die Zahlen lieferten ein Alibi für das Management, plausible, beruhigende Summen, die aber bei genauer Spurensicherung bröckelten.


3. Spurensicherung:
Wie die Daten ermittelt wurden

Unsere Ermittler-Routine im Projekt sah so aus:

  • Beweissicherung:
    Export von Buchungssätzen, Logistikrechnungen, alten Excel-Modellen.
  • Forensische Analyse:
    Vergleich tatsächlicher Versandkosten pro SKU gegen die in der Kostenrechnung verwendeten Sätze.
  • Zeugenbefragung:
    Interviews mit Einkauf, Logistik, Sales - oft lieferten sie widersprüchliche Aussagen.

Ergebnis
Ein klarer Beweis: die Lieferkosten hatten systematisch gefehlt. Die Verkaufssteigerung war kein Indiz von Stärke, sondern das Tropfen, das das Fass überlaufen ließ.


4. Das Motiv:
Routine & Nachlässigkeit

Im wahren Datenkrimi ist der Täter selten böswillig. Hier war das Motiv Routine: Prozesse, die „schon immer so liefen“, ein Excel-Alibi, das nie hinterfragt wurde, und die Trägheit, Modelle anzupassen. In ruhigen Zeiten reicht das oft, in Krisenzeiten wird Routine zur Falle.

Professionelle Ermittler würden sagen:

Motiv = Bequemlichkeit + fehlende Ownership.
Ergebnis = systematisches Fehlverhalten der Zahlen.


5. Zeugen:
Excel, Dashboards und Datenspuren

Die Zeugen sahen unterschiedlich aus:

  • Excel-Sheets
    Alte Zeugen mit vagen Erinnerungen,
  • BI-Dashboards
    Polierte Zeugenaussagen ohne Tiefe,
  • ERP-Logs
    Die stillen Kronzeugen.

Kein Zeuge war allein verlässlich. Nur die Kombination aller Quellen ergab ein konsistentes, gerichtsfestes Bild.


6. Der Prozess:
Verhandlung zwischen Management und Realität

Im Moment der Aufklärung tritt die unangenehme Verhandlung ein: Management versus Zahlenrealität. Häufig wirkte die Erstreaktion wie ein Verteidigungs-Alibi:

„Das war immer so“,
„Das ist nicht unser Problem“.

Doch Zahlen sind stur: sie legen Fakten offen, auch gegen gewohnte Narrative. Die Rolle des modernen Controllers ist dabei die eines Gerichtsanalysten: er präsentiert die Beweise und fordert Handlung.


7. Das Strafmaß:
Sanktionen und Prävention

Was folgt aus einem solchen Daten-Tatbestand? Zwei Ebenen der Reaktion:

  1. Sofortmaßnahmen (Notfalleinsatz):
    Korrigierte Deckungsbeiträge, sofortige Anpassung der Preis- und Kostenmodelle, kurzfristige Liquiditätssteuerung.
  2. Strukturelle Strafen (Prävention):
    Einführung permanenter Data-Governance, jährliche Forensik-Audits, klare Data-Ownership, Integration von Einkauf/Logistik/Controlling in ein einheitliches Datenmodell.

Kurz: Die Strafe für Nachlässigkeit heißt Restrukturierung. Die Prävention heißt Transparenz.


8. Lektionen aus dem Datenkrimi:
Checkliste für Entscheider

  • Kein Alibi akzeptieren:
    Hinterfrage jede Marge, die zu schön klingt.
  • Tatort untersuchen:
    Kontrolle der Rampe: Sind Versand- und Logistikkosten korrekt verbucht?
  • Spurensicherung etablieren:
    Regelmäßige Forensik-Checks auf SKU-Ebene.
  • Zeugen vernetzen:
    ERP, CRM, BI und Einkauf brauchen gemeinsame Definitionen.
  • Ownership benennen:
    Wer ist verantwortlich für die Validität der Kosten- und Margenlogik?


9. Fazit:
Wenn Zahlen lügen, ist es oft menschliches Versagen

Dieser Fall war kein Thriller mit einem Verbrecher im klassischen Sinn, es war ein Krimi der Nachlässigkeit. Die Zahlen hatten kein Interesse daran, die Wahrheit zu verbergen; die Organisation hatte es versäumt, sie zu schützen.

„Weiße Ware, rote Zahlen“ ist kein Einzelfall, es ist ein Muster.
Wer seine Daten nicht wie Beweismittel behandelt, riskiert, dass genau diese Beweise ihn eines Tages verurteilen.

Foto von Thomas Howert

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Thomas Howert

Gründer und Business Intelligence Experte seit über 10 Jahren.

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