

Das Umsatz-Chaos
Oft treten Unternehmen an uns heran, weil ihr Reporting auseinanderläuft.
Dashboards widersprechen sich, KPIs sind inkonsistent, und fast immer wird die Ursache zuerst in der Technik gesucht.
In solchen Projekten stelle ich im Kick-off gern eine scheinbar einfache Frage:
„Können Sie bitte ‚Umsatz‘ definieren?“
Die Antworten sind fast immer ein Augenöffner
- Finance rechnet netto nach Zahlungseingang
- Sales spricht vom Soll-Umsatz – Rabatte ja oder nein hängt vom Kontext ab.
- Der Online-Shop meldet Auftragseingang vor Auslieferung.
Drei Stakeholder, vier Definitionen. Alle korrekt. Aber niemand meint das Gleiche. Von DB I und DB II wollen wir hier gar nicht erst anfangen.
Das eigentliche Problem
Die Ursache liegt selten in fehlerhaften Pipelines oder Dashboards. Das eigentliche Problem:
Jede Abteilung hat ihre eigene, berechtigte Sichtweise. Nur wurden diese Unterschiede nie explizit gemacht.
So entstehen parallele Wahrheiten: Finance arbeitet nach IFRS, Sales optimiert auf Forecasts, Marketing attribuiert Kampagnen. Alle sprechen von „Umsatz“. Doch die Zahlen sind nicht vergleichbar. Das ist kein technisches Problem. Es ist ein Governance-Problem.
Was Governance wirklich bedeutet
Data Governance heißt nicht, zwanghaft alles auf eine Zahl zu reduzieren.
Es heißt, Unterschiede klar zu benennen, zu strukturieren und transparent zu machen
- Gross Revenue, Net Revenue, Order Intake - jede Definition ist eindeutig dokumentiert.
- Ein KPI-Set, das alle kennen, verstehen und akzeptieren.
- Verantwortlichkeiten: Wer stellt welche Kennzahl für welchen Kontext bereit?
In einem Projekt bin ich tatsächlich einmal auf 12 verschiedene Umsatzdefinitionen gestoßen, bei sieben Fachbereichen, mein persönlicher Rekord. Am Ende blieben fünf übrig. Selten wird es eine. Aber alle waren sauber benannt, nachvollziehbar und kontextklar.
Im Idealfall einigt man sich sogar auf eine Haupt-KPI, die als Referenzpunkt dient. Der Rest wird als klar definierte Subsets geführt.
Single Source of Truth, richtig verstanden
Die berühmte Single Source of Truth wird oft missverstanden. Es geht nicht um die eine magische Zahl. Es geht darum, dass alle auf ein konsistentes, abgestimmtes KPI-Set zugreifen und dieses über alle Reportings, Dashboards und Analysenhinweg klar definiert, konsistent und integer ist.
Nicht: „Umsatz = 1 Zahl.“
Sondern: „Umsatz = mehrere Varianten, aber jede ist sauber dokumentiert, eindeutig benannt und für alle transparent.“
Die politische Dimension & Fazit
Die technische Umsetzung, Pipelines, KPI-Definitionen, Semantic Layer, ist das eine. Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch auf der organisatorischen Ebene. Denn sobald sichtbar wird, dass Abteilungen jahrelang unterschiedliche Wahrheiten genutzt haben, entstehen Diskussionen:
- Wer darf „den Umsatz“ definieren
- Welche Abteilung trägt Verantwortung?
- Wie gehen wir künftig mit Abweichungen um?
Diese Reibung ist wertvoll aber auch heikel. Governance zwingt Unternehmen, Definitionen und Verantwortlichkeiten explizit zu machen. Was vorher implizit war und damit eine Quelle ständiger Missverständnisse wird plötzlich sichtbar, dokumentiert und handhabbar.
Das ist oft die größte Herausforderung in BI-Projekten: Man merkt, dass jahrelang aneinander vorbeigeredet wurde und sogar Zielvereinbarungen oder Bonusmodelle betroffen sind.
Darum bereiten wir Projekte schon zu Beginn politisch vor: Vergangene Missverständnisse dürfen den Zusammenhalt nicht gefährden. Im Gegenteil. Sie sind eine Chance, im Rahmen des Change-Prozesses Altlasten loszuwerden und Performance objektiver zu machen.
Und genau das ist am Ende die Quintessenz von data-driven:
Nicht nur Entscheidungen auf Zahlen zu stützen, sondern sicherzustellen, dass alle die gleichen, klar definierten Zahlen meinen.
Damit Governance wirkt, braucht es die Einbindung der C-Suite und eine klare Verankerung der KPIs im Unternehmen. Wer das KPI-Set „ownt“, muss eindeutig geregelt sein, sonst fällt die Konsolidierungsarbeit beim ersten Change auseinander.
Fazit:
Nicht eine einzelne Zahl schafft Vertrauen in BI-Systeme, sondern eine klare Governance. Sie stellt sicher, dass wir wissen, welche Zahl in welchem Kontext gilt, wer dafür verantwortlich ist und wie sie konsistent abgebildet wird.
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