Wenn Erfolg keine feste Zahl hat - Erfolgsmessung in einer nicht-deterministischen Datenwelt
In klassischen BI-Systemen schien Erfolg oft einfach messbar: Ein Dashboard spart Zeit, automatisiert Berichte, senkt Fehlerquoten. Doch auch dort war die Bewertung nie wirklich eindeutig. Wie bemisst man zum Beispiel eine bessere Entscheidung? Oder den Wert von Erkenntnissen, die verhindern, dass ein Fehler überhaupt entsteht? Schon in der klassischen BI ging es letztlich um mehr als Zahlen: um Entscheidungsqualität und Wirkung.


Mit dem Aufkommen von KI-gestützten Systemen [insbesondere Large Language Models (LLMs), Agenten und generativen Analyse-Tools] verschärft sich diese Herausforderung. Wie misst man Erfolg, wenn sich dieselbe Frage an dieselben Daten jedes Mal ein wenig anders beantworten lässt? Und wenn es gar keine eindeutig „richtige“ Antwort mehr gibt?
Willkommen im Zeitalter der nicht-deterministischen Systeme. Dort, wo Erfolg nicht mehr in exakten Zahlen, sondern in Stabilität, Nachvollziehbarkeit und Wirkung gemessen wird.
Warum Erfolgsmessung in Business Intelligence nie trivial war,
und in KI noch schwieriger wird.
Die Frage
„Wie misst man Erfolg?“
begleitet Business Intelligence seit ihren Anfängen. Schon früher war der Return on Investment (ROI) selten rein technisch, sondern organisatorisch:
- Schnellere Reportings führten zu Zeitersparnis
- Automatisierte Datenaufbereitung senkte Fehlerquoten
- Self-Service-BI entlastete IT-Teams
Diese Effekte ließen sich noch quantifizieren, in Stunden, Kosten oder Fehlerreduktion.
Doch sobald BI-Systeme Entscheidungen beeinflussen, wird der Nutzen weicher: Wie misst man eine bessere Entscheidung? Wie beziffert man, dass ein Team früher oder sicherer reagiert hat, ohne Kontrollgruppe?
Mit dem Einzug von KI verschärft sich dieses Dilemma: Antworten sind probabilistisch, Nutzen indirekt, und klassische KPIs wie Accuracy oder Precision greifen zu kurz, wenn mehrere plausible Antworten existieren [1][2].
Deshalb gilt: Erfolg muss neu gedacht werden. Nicht als binäre Richtigkeit, sondern als Balance zwischen Faktentreue, Stabilität und Wirkung.
Ein Thema, das auf allen Konferenzen dominiert
Auf den großen Fachkonferenzen der letzten Wochen – von der Big Data & AI World Frankfurt bis zur World of Data Basel – war es eines der meist diskutierten Themen:
Wie misst man den Wert von KI-Systemen, wenn Ergebnisse nie exakt wiederholbar sind?
Wir bei inics haben diese Entwicklung früh antizipiert. Schon vor drei Jahren schrieb unser damaliger Werkstudent seine Bachelorarbeit genau dazu: „Evaluierung von Performance und Stabilität probabilistischer Modelle in Business Intelligence-Umgebungen“.
Was damals noch ein akademisches Randthema war, ist heute eines der zentralen Governance-und Vertrauensfragen für Unternehmen, und Kern unserer täglichen Projekte.
Von KPI zu Kontext – was heute wirklich zählt
In der klassischen BI dreht sich alles um deterministische KPIs: präzise, vergleichbar, planbar.
Im KI-Zeitalter verschiebt sich der Fokus. Nicht mehr die exakte Zahl entscheidet, sondern Konsistenz, Erklärbarkeit und Wirkung. Ziel ist nicht die perfekte Antwort, sondern eine, die verlässlich, begründet und handlungsrelevant ist.
Erfolg heißt also: Das System verhält sich stabil, liefert nachvollziehbare Ergebnisse und unterstützt bessere Entscheidungen.
Wie misst man Stabilität, ohne neue KPIs zu erfinden
Der Markt für KI-Evaluierung ist heute reich an Metriken, und manchmal verwirrend.
Zwischen Factual Accuracy, Faithfulness, Calibration Error und Reference Hallucination Score könnte man glauben, man müsse neue Kennzahlen erfinden, um den Nutzen zu belegen [3][4].
Das ist nicht nötig. Entscheidend ist, vorhandene Metriken richtig zu kombinieren und zu interpretieren, im Kontext von Geschäfts- und Entscheidungsprozessen.
Halluzination ≠ Instabilität
Viele Kennzahlen, etwa:
- Factuality Scores (z. B. FActScore [5]) oder
- Reference Hallucination Score (Aljamaan et al., 2024 [6])
messen, wie häufig ein Modell faktisch falsche Informationen produziert.
Das ist wichtig, aber sagt nichts über die Reproduzierbarkeit aus. Ein Modell kann konstant falsch sein (perfekte Stabilität, null Wahrheitsgehalt) oder korrekt, aber schwankend.
→ Faktentreue und Stabilität sind zwei Seiten derselben Medaille – und müssen getrennt bewertet werden.
Bestehende Metriken gezielt kombinieren
Unternehmen müssen keine neuen KPIs erfinden, sondern vorhandene Werkzeuge gezielt einsetzen. Drei etablierte Metrik-Cluster reichen, um KI-Systeme transparent zu bewerten:
Diese Kombination bildet ein vollständiges Bild: Wie verlässlich, nachvollziehbar und nützlich ist das System im Alltag?
Confidence, das fehlende Bindeglied
Neben diesen Metriken gewinnt ein weiterer Wert an Bedeutung: Confidence.
Er beschreibt, wie sicher sich ein Modell selbst in seiner Antwort ist.
Eine hohe Confidence kann auf Konsistenz und innere Modellstabilität hindeuten, oder, bei falschen Antworten, auf gefährliche Selbstsicherheit. Daher wird „Confidence“ zunehmend als Korrektiv zwischen Faktentreue und Vertrauen verstanden [10][11].
In der Praxis zeigen sich mehrere Ausprägungen:
- Prediction Confidence
Wahrscheinlichkeit, mit der das Modell seine Antwort als korrekt einschätzt.
- Calibration Confidence
Vergleich, ob Confidence und tatsächliche Trefferquote übereinstimmen (Expected Calibration Error [12]).
- Self-Consistency Confidence
Grad der Übereinstimmung bei mehrfacher Ausführung derselben Anfrage.
- Human-Validated Confidence
Abgleich zwischen Modell-Confidence und Nutzerbewertung („Wie sicher wirkte die Antwort?“).
Richtig eingesetzt, hilft Confidence, Unsicherheit sichtbar zu machen, und bildet damit die Brücke zwischen technischer Modellqualität und menschlichem Vertrauen.
Von Zahlen zu Wirkung, das neue Benchmark-Framework
Aktuelle Forschungsprojekte [1][4][10][12] zeigen:
Erfolgsmessung braucht mehrere Dimensionen.
In der Praxis bewähren sich vier:
- Faktentreue (Truthfulness)
Anteil überprüfbar richtiger Aussagen - Stabilität (Consistency)
Varianz bei identischen Eingaben - Confidence & Erklärbarkeit
Wie sicher, nachvollziehbar und konsistent sind Antworten - Akzeptanz & Business Impact
Nutzungshäufigkeit, Entscheidungszeit, „Antwort → Aktion“-Quote
- Beispielhafte Benchmarks
Praktische Umsetzung
- Baseline erfassen
Aktuelle Nutzung und Entscheidungsprozesse dokumentieren. - Eval-Suite kombinieren
Faktentreue, Stabilität, Confidence und Vertrauen systematisch messen. - Monitoring aufsetzen
Quantitative Daten (Varianz, Confidence) und qualitative (Surveys) kombinieren. - Pilot auswerten
Nach 8–12 Wochen anhand der Benchmarks bewerten. - Iterieren statt feiern
Erfolgsmessung ist kein einmaliges Audit, sondern laufende Governance.
Von Kontrolle zu Vertrauen, aber mit Messlatte
Erfolg heißt künftig nicht:
„Das System macht keine Fehler.“ Sondern: „Wir verstehen, wann und warum es Fehler macht.“
Das Ziel ist kontrolliertes Vertrauen, also messbare Zuverlässigkeit in einer Welt der Wahrscheinlichkeiten. Organisationen, die diese Haltung etablieren, gewinnen Transparenz und Glaubwürdigkeit – gegenüber Management, Compliance und Nutzern.
Fazit
Erfolgsmessung war in BI schon immer mehr als eine ROI-Rechnung. Sie war der Versuch, Entscheidungsqualität sichtbar zu machen.
Mit KI wird dieses Prinzip neu definiert: Nicht neue Kennzahlen sind entscheidend, sondern die Fähigkeit, bestehende Metriken richtig zu kombinieren und sie auf reale Geschäftsziele zu beziehen, inklusive der Confidence, mit der ein System seine eigenen Antworten bewertet.
Wer das beherrscht, misst nicht nur besser, er versteht auch besser, was „Erfolg“ im Zeitalter probabilistischer Systeme wirklich bedeutet.

inics-Tipp:
Erfolgsmessung ist kein Add-on, sondern Teil der Architektur. Wir unterstützen Unternehmen dabei, bestehende Metriken in ein ganzheitliches Framework zu überführen - von Faktentreue bis Business Impact.
Jetzt kostenlosen „AI Performance & Readiness Check“ anfragen.Thomas Howert
Gründer und Business Intelligence Experte seit über 10 Jahren.
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